Mittwoch, 10. Januar 2007

Münzfunde

Warum sind in Kalkriese die Gesetze der Wahrscheinlichkeit außer Kraft gesetzt?

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sind die Münz-Hortfunde:
1. Haltern 4056
2. Kalkriese-Lutterkrug
3. Kalkriese - Sammlung Bar, Gut Barenaue.

Nach Frank Berger (Das Geld der römischen Soldaten, in: Kalkriese - Römer im Osnabrücker Land, Bramsche 1993) fällt eine alleinige Dominanz der nachchristlich geprägten Münzen im Münzhort Haltern auf, wo sich primär die Legionen XVII, XVIII und XIX (Varus-Legionen) aufhielten. Dagegen ist der Anteil der vorchristlichen Münzen bei den beiden Kalkrieser Hortfunden größer. Das ist sehr überraschend angesichts der Hypothese, dass die drei Varus-Legionen 9 n. Chr. in Kalkriese ihr Ende fanden und unter der Prämisse, dass die beiden Horte dort im Zusammenhang mit der Varusschlacht stehen.

Jedenfalls hatte zunächst Theodor Mommsen (Die Örtlichkeit der Varusschlacht, Sitzungsbericht der Königlichen Akademie derWissenschaften zu Berlin, Berlin 1885) seine Vermutung der Varusschlacht in Kalkriese auf die Münzfunde aus Barenauer Grundstücken gestützt; und die Kalkrieser heute stützen weiterhin wegen der Münzfunde des Captain Clunn ihre Varusschlacht-Kalkriese-Hypothese eben darauf.

Nun hatte aber Lodtmann 1753 auf den ersten ausschließlich aus Barenauer Grundstücken stammenden 127 Silber- und Goldmünzen die Legionskennungen II, III, IV, V, VI, VII, VIII, IX, X, XIII, XV, XVI, XVII und XX entdeckt, also statistisch gesehen 50 % (14) der insgesamt 28 römischen Legionen, die es um Christi Geburt gab.

Von den drei Legionen des Varus aber findet sich nur eine wieder (33 %). Das ist natürlich sehr unwahrscheinlich, wenn in den dortigen Kampf ausschließlich Varus-Legionen verwickelt waren.

Wäre Asprenas 9 n. Chr. mit den beiden Legionen V und XXI parallel zu Varus in Kalkriese in Schwierigkeiten geraten, dann hätten wir wieder die oben vorgegebene Wahrscheinlichkeit mit 50 % (1/2).

Kritiker der Kalkriese-Hypothese führen an, dass es sich dort um die Schlacht des an den Pontes Longi gehandelt haben könnte. Wie sieht es da mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung aus? Caecina war (15 n. Chr.) mit den Legionen I, V, XX, XXI unterwegs, hier ist die Korrelation also wieder bei den erwarteten 50 % (2/4).

Wie sieht es mit der Angrivarierwall-Vermutung in Kalkriese aus? Germanicus war 16 n. Chr. mit den acht Legionen I, II, V, XIII, XIV, XVI, XX, XXI im Einsatz, so dass die Signifikanz auf 63 % (5/8) ansteigt.

Damit ist die Wahrscheinlichkeit für den Angrivarierwall in Kalkriese also mit Abstand am höchsten und für die Varusschlacht am geringsten. Das sollte zu denken geben, weil durch Militaria-Funde die Legion I zusätzlich bezeugt ist, was die Wahrscheinlichkeit für Germanicus am Angrivarierwall auf 75 % (6/8) hebt wie auch für Caecina an den Pontes Longi auf 75% (3/4), aber wegen der geringeren Zahl nicht so signifikant.

Die nüchterne Welt der Statistik des Zufalls spricht am stärksten gegen die Varusschlacht in Kalkriese. Sie erhärtet die Vermutung, dass das Kalkriese-Kartell seine Monopolstellung auch bei der Einordnung und Bewertung des empirischen Befundes auf der Grabungsstelle ausnutzt. Es ist höchste Zeit, dass der Ombudsmann der DFG einen neutralen Gutachter bestellt, der alle bisherigen Funde noch einmal in Augenschein nimmt. Am besten geeignet wäre ein Numismatiker aus Frankreich, weil dort die größte Expertise bzgl. der Münzprägungen in Gallien (Lyon/Lugdunum) zu erwarten ist.

Mit freundlichen Grüßen,
Univ.-Prof. Dr. Siegfried G. Schoppe

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