Dienstag, 9. Januar 2007

Einordnung der Inschrift

Georgia Franzius (Die römischen Funde aus Kalkriese, Bramsche 1993) hat unter dem Eindruck der damals öffentlich geführten Varusschlacht-Kampagne Kalkriese die Punze auf der bronzenen Schließe eines Kettenpanzers der Reiterei: M. AIUS I FABRICI falsch übersetzt mit "Legionär M. Aius diente in der 1. Cohorte in der Centurie des Fabricius". Diese fehlgeschlagene Übersetzung ist Ergebnis fehlenden Hintergrundwissens und mangelnder Lateinkenntnisse der Gutachterin sowie des von der Academic Community ausgeübten Druckes; denn bei einer Varusschlacht in Kalkriese durften weder Reiter erscheinen noch eine I. Legion.

Die richtige Übersetzung lautet: "M. Aius von der I. Legion der Fabrizier"; von Cohorte und Centurie ist keine Rede, auch der Legionär wird hinzugedichtet; Fabrici(i) ist hier nicht Genitiv- sondern Pluralform. Außerdem handelt es sich nicht um einen völlig unbekannten Centurienführer, sondern um den historisch bedeutenden Feldherrn und zweimaligen Consul (282 und 278 v. Chr.) Gaius Fabricius Luscinus, der sich in den Kämpfen gegen Pyrrhus und in den Friedensverhandlungen mit Pyrrhus als Censor 275 v. Chr. ewigen Ruhm als vir vere Romanus erworben hatte. Denn er reagierte weder auf Bestechungsversuche noch auf Drohungen des Pyrrhus (König von Epirus 297 - 272 v. Chr.); als ehrlicher Makler zwischen den Hellenen und Römern lehnte er auch einen Giftanschlag auf Pyrrhus ab und warnte diesen sogar davor.

Der Gefallene, der Träger der Panzerschließe mit der Ritzinschrift auf der Rückseite M. AII I FAB I war, gehörte auch nicht zu den Fabri, d.h. Pionieren, sondern er war Angehöriger (oder trug den abgelegten Panzer eines Veterans) der I. Legion: Nicht die Cohorte oder Centurie stand im Mittelpunkt, sondern die Legion, die im Imperium Romanum einen Namen hatte. Zur Zeit des Varus gab es 28 Legionen, wobei mehrere Legionsnummern mehrfach vergeben waren, so dass die höchste Ziffer XXII war. In der Zeit des ausgehenden Königtums (509 v. Chr.) wurden dagegen nur zwei Legionen regulär aufgeboten. Die Zahl der regulären von Consuln geführten Legionen in der Republik war auf vier begrenzt. Bei Caesars "Inflation der Legionen", die allesamt nicht nur gezählt, sondern auch mit Cognomina benannt wurden, blieben die vier consularischen Legionen I, II, III und IV in ihrer Benennung von den Consuln abhängig. Erst unter Augustus wurden auch diese Legionen zu kaiserlichen Legionen - allesamt mit dem Namen Augusta: (Augusta) Germanica, Augusta, (Augusta) Pia Fidelis und (Augusta) Macedonica.

Die I. Legion mit der größten Tradition wurde von ihren Consuln Legio Fabricia genannt in Erinnerung an den legendären republikanischen Feldherrn und Consul Fabricius Luscinus. Als Augustus diese Legion dem Mark Anton im Osten entrissen und nach Spanien verlegt hatte, nannte er sie I Augusta. Wegen eines Fehlverhaltens (M. Junkelmann, Die Legionen des Augustus, Mainz 1986) ging die Erste ihres Namens Augusta verlustig und wurde nach Gallien verlegt (nach 19 v. Chr.). Dann wurde sie an den Mittelrhein und später an den Niederrhein verschoben und hieß dann mit Cognomen Germanica. Aufgrund dieser Geschichte ist es erklärlich, dass die Angehörigen der I. sich noch über einige Zeit die Fabrizier nannten und dass bei der Weiternutzung von Rüstungen selbstverständlich die Punzen und Ritzinschriften mit FAB oder FABRICI nicht getilgt wurden.

Die Anwesenheit der I. Legion der Fabrizier in Kalkriese ist der empirische Beweis, der von Kritikern bisher vergebens gesucht wurde, um die Unmöglichkeit der Varusschlacht in Kalkriese zu belegen. Der Einwand, dass doch die Cognomina der Legionen typische Merkmale, Tugenden, Regionenbezeichnungen, Gottheiten seien, ist durch die besondere Stellung der consularischen Legionen bis zur Zeit des Augustus erklärt, der alle vier dann auf seinen eigenen Namen (Legio Augusta) umtaufte. Und wer mit der Pluralerklärung Fabrici(i) nicht einverstanden ist, der darf auch gern LEGIO FABRICI(A) daraus lesen.

Der Versuch, den hier beschriebenen Fund zur Verifizierung der Varusschlacht in Kalkriese "umzumünzen", ist damit misslungen. Die Panzerschließe ist der Beweis für Germanicus und Caecina in Kalkriese.

Mit freundlichen Grüßen,
Univ.-Prof. Dr. Siegfried G. Schoppe

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