Mittwoch, 3. Januar 2007

Die Fehlinterpretation von Legionsabzeichen

Typisch ist der Umgang der Vertreter der Kalkriese-Varusschlacht Hypothese mit den vier gefundenen Panzerschließen, die von Franzius (Georgia Franzius, Die römischen Funde aus Kalkriese, Bramsche 1993) zunächst richtig der Reiterei zugeordnet wurden. Auf einer Schließe eines Kettenpanzers findet sich auf der Unterseite eine Punze, die sich nach Frau Franzius wie "M. Aius I Fabrici" liest und mit "Legionär M. Aius in der I. Kohorte in der Centurie des Fabricius" zu übersetzen sei. Damit stellt sie ihr eigenes archäologisches Forschungsergebnis "vier Panzerschließen der Reiterei" für eine der Schließen selbst wieder in Frage, weil diese ja angeblich zur I. Kohorte, zu den Fußsoldaten, gehört.

Hier hört nun langsam der Spaß auf: Weil Varus in Kalkriese mit den Legionen XVII, XVIII und XIX, jedoch nicht der Legion I. Germanica Augusta unterging, da also nicht wahr sein darf, was nicht wahr sein soll, musste die Legionskennung I, die man tatsächlich gefunden hatte - von einem Reiter, der 16 n. Chr. zur I. Legion des Germanicus gehörte - als Kohortenkennung eines Legionärs gelesen werden. Denn Varus hatte am Ende keine Reiterei mehr, weil diese desertierte! Tatsächlich war 16 n. Chr. Germanicus unter anderem mit der I. Legion plus Reiterei am Angrivarierwall in Kalkriese: Ein klarer Beweis gegen die "Varusschlacht Kalkriese"-Hypothese.

Die Kalkrieser sind so sehr in ihrer eigenen Welt befangen, dass sie zwanghaft sogar eindeutige Falsifizierungen in Verifizierungen ihrer Hypothese ummünzen müssen: Und ist es auch Wahnsinn, so hat er doch Methode.

Nicht die Kohorte, sondern die Legion ist das Identifikationsmerkmal und der Stolz römischer Soldaten. Archäologen finden Legionskennungen auf Ziegeln, an Bauten, auf Bronzetäfelchen ..., jedoch nicht primär Kohortenkennungen. Wie bei den Spitzgräben der römischen Legionen in Kalkriese, so muss auch für die Legionskennung I eine haarsträubende Uminterpretation herhalten - ohne jeglichen Präzedenzfall in der Archäologie.

Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die neuen Methoden der "Schlachtfeld-Archäologie" ihres Erfinders Rost in Kalkriese. Es ist den Kalkriesern nicht nur gelungen, Frank Berger mit seinen eher kritischen Münzbefunden, sondern auch Georgia Franzius zu den gewünschten Interpretationen zu verleiten - und von unerwünschten Ergebnissen abzuhalten. Wir dürfen nicht verkennen, dass die Legionskennungen auf den Münzhorten von Kalkriese sämtlich ausschließlich auf Germanicus-Legionen hinweisen.

Wenn nun der Geschäftsführer des Museumsparks Kalkriese allen Kritikern süffisant entgegnet, man könne doch nicht erwarten, dass Varus seine Visitenkarte hinterlegt habe, so hat er selbstverständlich recht, denn jener war nie in Kalkriese und zum Zeitpunkt der Schlacht bei Kalkriese schon sieben Jahre tot.

Mit dem Fund der Panzerschließen hat man ungewollt die Anwesenheit einer römischen Reitereinheit, einer Ala, nachgewiesen, die im Heer des Germanicus Dienst tat oder unter Caecina - und vor Christi Geburt schon unter Domitius Ahenobarbus. Denn auf der Innenseite einer Schwertscheiden-Klammer, die inzwischen auch in Kalkriese gefunden wurde (Georgia Franzius u. Rainer Wiegels, Beschläge einer Gladiusscheide und Teile eines cingulum aus Kalkriese, in: Germania, H. 1, 2000, S. 567 -607) lässt sich eine Ritzinschrift mit "Domitii", des Domitius (Ahenobarbus), entschlüsseln, obwohl der Mitautor des Franzius-Beitrages, Rainer Wiegels, dieses ablehnt (vgl. Rolf Bökemeier, Die Varusschlacht, Tübingen 2000, S. 188).

Mit freundlichen Grüßen,
Univ.-Prof. Dr. Siegfried G. Schoppe

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